Interview

Terry Pratchett: Das definitive Interview

Ich weiß, dass Sie diese Frage häufig hören, aber ich muss sie Ihnen trotzdem stellen: Woher kommt die Scheibenwelt?

Früher habe ich häufig darauf hingewiesen, dass der Mythos von einer flachen Welt auf dem Rücken einer Schildkröte auf allen Kontinenten existiert. Vor kurzer Zeit berichteten mir Schüler von einer mir bis dahin noch unbekannten Version. Wenn man sich mit der indoeuropäischen Mythologie befasst, entdeckt man auch die Elefanten. Aber man hat zu oft gefragt und zu selten zugehört, und deshalb sage ich nun: Ich habe alles erfunden.

Glauben Sie, dass Sie Fantasy schreiben?

Ich denke schon. Diesbezüglich habe ich meine Meinung während der vergangenen Jahre häufig geändert, aber inzwischen hat sie sich gefestigt. Das Problem ist: Viele Leute sind davon überzeugt, dass sich die Grenzen der Fantasy irgendwo nördlich von Camelot und südlich von Conan erstrecken. Genauso gut könnte man behaupten, das Star Trek den größten Teil der Science-Fiction repräsentiert. Außerdem fanden viele Leute, die eigentlich gar keine Fantasy mögen, Gefallen an meinen Büchern, was mich eine Zeitlang verwirrte. Aber wenn es keine Fantasy ist ... dann weiß ich nicht, wie man die Geschichten bezeichnen sollte.

Haben Sie keine Definition für Fantasy?

Einen Augenblick... Ich könnte einen Versuch wagen.

Nur zu.

Vor einigen Monaten bin ich durch Australien gereist. Wir besuchten sogar Alice Springs. Ich mietete einen Wagen, und damit fuhren wir zum Ayers Rock. Ich dachte: Jetzt bin ich zum dritten Mal in Australien, und bisher kenne ich kaum mehr als die Straße zum Flughafen - auf zum Rock oder stirb! Jetzt nennt man ihn übrigens Uluru, weil sich Australien plötzlich daran erinnert, dass der Kontinent schon vor 1770 - und gar vor 1642 - existierte. Es ist schon seltsam: Bestimmte landschaftliche Merkmale haben schon Jahrtausende einen Namen, und dann kommt jemand auf einem Kamel daher geritten, irgendein Forscher, der glaubt, die Geographie für sich gepachtet zu haben. Er "entdeckt" etwas und maßt sich das Recht an, der Sache einen neuen Namen zu geben ...

Wie dem auch sei: Auf den Felsen zu klettern gehört dazu. Ich stand besonders früh auf und machte mich noch während der Dunkelheit auf den Weg. Und dann dachte ich: He, du hast noch nie den Nachthimmel der südlichen Hemisphäre gesehen. Mir fiel ein, dass ich früher einmal Astronom werden wollte, und bedauerte, dass die Hälfte der Sternbilder Science-Fiction für mich blieb. Ich hielt den Wagen an und wartete, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, und schließlich sah ich sie: die Sterne. Ich meine den Nachthimmel einer Wüste - es gab weder Smog noch die Lichter einer Stadt. Nie zuvor habe ich die Sterne klarer gesehen. Ein unbekannter Himmel bot sich mir dar.

Das ist Fantasy?

Nein. Es ist etwas Neues. Darum geht's. Ich blickte zum Horizont und erkannte den Orion - das erste Sternbild, das ich als Kind identifizieren konnte, als acht- oder neunjähriger Junge. Mit dem Orion war ich bestens vertraut. Und nun sah ich ihn verkehrt herum. Die übrigen Sternbilder waren nicht fremdartig, nur unbekannt, in der Art von: "Ach, das ist also der Sextant? Interessant." Der Orion hingegen ... Er verlor plötzlich das Vertraute, und ich hatte das Gefühl, ihn zum ersten Mal zu sehen. So könnte Fantasy sein.

Ich weiß, dass es Ihnen nicht gefällt, wenn man Ihre Bücher als Parodie bezeichnet.

Weil es ein bequemes Wort ist. Vielleicht glauben die Leute, dass ich etwas parodiere - aber sie wissen nicht genau was.

Na schön. Wie würden Sie Ihre Bücher beschreiben? Manche Fans machen sich einen Spaß daraus, Dialoge zu finden, die auf Szenen in berühmten Filmen anspielen. Aber es geschieht auch, dass Sie Shakespeare und eine Parodie auf Aliens im gleichen Satz bringen.

Ich glaube, Shakespeare wäre von Aliens begeistert gewesen. Aber vermutlich hätte er einige Nebenhandlungen hinzugefügt. Hmm. Wenn man den Film Forbidden Planet auf The Tempest zurückführen kann, müsste das umgekehrt ebenfalls möglich sein. [An dieser Stelle wurde das Interview unterbrochen, um einige Stellen aus Shakespeares vergessenem Werk Xenomorph zu verlesen.]

Als nächstes wollen Sie vielleicht auch noch behaupten, dass die Potzblitz-Soße ebenso ein Teil der Realität ist wie die Sache mit den Drohnen ...

Ich habe Briefe bekommen, die beides erwähnen.

Auch die Drohnen?

Das gehört zur Bienenzucht. Die Beschreibungen in Lords and Ladies (Lords und Ladies) sind im Großen und Ganzen exakt. Ich verberge Resonanzen und subtile Anspielungen im Text, hoffe jedoch, dass sie keinen störenden Einfluss auf das Lesevergnügen jener Personen ausüben, die sie übersehen. Und noch etwas: Ich verwende Wortspiele nicht halb so oft, wie manche Leute glauben. Außerdem stammen nicht alle verrückten Ideen von mir. Viele haben einen historischen Hintergrund. Zum Beispiel der Dein-Finger-du-Narr-Gag in The Light Fantastic (Das Licht der Phantasie). Im Lauf der Jahre bekam ich deshalb viel Post. Aber ich habe es mir gar nicht selbst ausgedacht! Der Witz basiert auf einer historischen Tatsache, beziehungsweise auf etwas, das gemeinhin als historische Tatsache gilt. Als europäische Forscher in für sie fremde Regionen vorstießen und wissen wollten, wie ein Tier oder ein Berg hieß, wandten sie sich an einen Einheimischen, zeigten in die entsprechende Richtung und sprachen dann ganz laut und deutlich auf englisch oder spanisch. Das Ergebnis könnte sein, dass wir von "Känguruhs" sprechen, obwohl das Wort eigentlich "Was faselt der weiße Idiot da?" bedeutet. Doch neulich bin ich auf einen Hinweis gestoßen, der etwas anderes behauptet. Ich sollte der Sache besser auf den Grund gehen... Damit sind wir wieder im Uluru-Territorium.

Neulich habe ich ein Buch über den Ursprung von Ortsnamen gelesen. Darin wurde "Terry Pratchetts Eingeborenentheorie" erwähnt.

Ha! Eine solche Theorie habe ich nie entwickelt. Es wäre außerordentlich schwierig, etwas so Seltsames zu erfinden wie den Tulpenwahn im Holland des siebzehnten Jahrhunderts. Oder den mysteriösen Fall des Thomas Crapper. Oder die ganze städtische Geschichte von Seattle, Washington.

Was hat es mit Thomas Crapper auf sich?

Nun, wenn er in viktorianischer Zeit das Wasserklosett erfand - wie kommt es dann, dass jenes Wort ["Crap" = Scheiße - Anmerkung des Übersetzers] während des sechzehnten Jahrhunderts im gleichen skatologischen Sinn gebraucht wurde? Vielleicht wurde er als Kind gehänselt und wuchs mit der festen Entschlossenheit auf, Ehre für seinen Namen zu erwerben.

Suchen Sie ganz bewusst nach solchen Dingen?

Nein. Auf so etwas stoße ich eher durch Zufall. Ich sammle Kollektaneen [Sammlungen von Auszügen aus literarischen und wissenschaftlichen Werken - Anmerkung der Redaktion], oft aus der viktorianischen Zeit - ich glaube, es sind die Vorläufer von Büchern wie Notes and Queries hier bei uns und der Straight Dope-Serie in den Staaten. Außerdem halte ich nach alten und außergewöhnlichen Nachschlagewerken Ausschau - Bremer's Dictionary of Phrase and Fable ist nur das bekannteste. Wenn man genug Dinge zusammenträgt, so dauert es nicht lange, bis man Verbindungen herstellt. Ich weiß nicht recht... Wir kommen hier der alten Frage "Woher nehmen Sie Ihre Ideen?" sehr nahe.

Da wir schon einmal dabei sind: Woher ...

Man sollte in diesem Zusammenhang nicht von "Ideen" sprechen - es ist ein irreführendes, vielleicht sogar bedeutungsloses Wort. Wer eine derartige Frage stellt, meint wahrscheinlich: "Was gab den Ausschlag für das Buch?" Nun, die Stimuli kommen von überall. Ich erinnere mich insbesondere an den für Small Gods (Einfach göttlich). Eines Tages sah ich mir die Nachrichten im Fernsehen an, und darin wurde ein "Heiliger" im Iran oder Irak gezeigt: Der Bursche stand vor einem Springbrunnen mit angeblichem Blut und erzählte den Leuten, wie überaus heilig es doch sei, für Gott zu sterben. Ich dachte: Nein, das durchschaue selbst ich. Bei dieser Gelegenheit entstand der zentrale Kern des Plots von Small Gods.

Welche Reaktionen bekamen Sie auf Small Gods? Immerhin war es kein typischer Scheibenwelt-Roman.

Ich erhielt eine andere Art von Post. Die Briefe wirkten... nachdenklicher.

Tatsächlich? Es ist vorstellbar, dass man Ihnen wünschte, in der Hölle zu schmoren. ...

Eigentlich seltsam: Ich bekam nicht einen einzigen erzürnten Brief. Ganz im Gegenteil. Alle waren positiver Natur. Bei Lord and Ladies (Lords und Ladies) hingegen schrieben mir einige Anhänger einer Keltensekte und warfen mir vor, die Tuatha de Danaan verleumdet zu haben - die Tolkien vermutlich als Vorlage für seine Elfen dienten -, indem ich sie mit den Sidhe (den traditionellen Baby-Entführern aus den Märchen) in einen Topf warf. Mich überraschte das sehr. Immerhin sind es doch nur Geschichten.

Lassen Sie uns noch ein wenig bei diesem Thema verweilen. Was ist Ihre religiöse Einstellung? Diese Frage erscheint durchaus angemessen. Schließlich spielen der Tod, das Leben im Jenseits und das Okkulte eine wichtige Rolle in Ihren Büchern.

Es steht alles in den Romanen. Ende der Antwort. Übrigens: Die Toten sind nicht etwa okkult, sondern Vorfahren.

An einer anderen Stelle wird die Scheibenwelt als "Fluchtort" bezeichnet. Ich habe den Eindruck, dass Ihnen diese Bezeichnung nicht gefällt.

Es kommt darauf an, wie man sie benutzt. In den sechziger und siebziger Jahren hielt man nicht viel vom "Eskapismus". Wer von "eskapistischer Literatur" sprach, meinte das herablassend und geringschätzig. Inzwischen haben sich die Kritiker beruhigt und eingesehen, dass Eskapismus eigentlich gar nicht so schlecht ist, vorausgesetzt, man flieht nicht fort von einem Ort, sondern zu einem hin. Meine berufliche Laufbahn als Schriftsteller kam in Gang, weil ich Science-Fiction las, die eskapistischste Literatur überhaupt. Aber dadurch fand ich Gefallen am Lesen, was mich zu anderen Büchern führte - denen ich meine Bildung verdanke.

Haben Sie mit dem großen Erfolg der Scheibenwelt-Romane gerechnet?

Meine Güte, nein! Wäre mir das vorher bekannt gewesen, hätte ich sicher einen enormen Schreck bekommen. Neulich musste ich mich durch einen Berg Post arbeiten, der sich im Lauf von zwei Monaten angesammelt hatte, weil ich unterwegs war. Ich sah zu den hohen Stapeln aus Briefumschlägen und dachte: Davor hat mich niemand gewarnt, als alles begann... Manchmal bin ich immer noch baff.

Wie setzt sich Ihre Leserschaft zusammen?

Nun, nach der Post zu urteilen besteht sie aus allen Altersgruppen beider Geschlechter. Es gibt jedoch eine Häufung im Altersbereich 9-14 - diese Leser kamen wahrscheinlich über Jugendbücher wie Truckers (Trucker) und Only You Can Save Mankind (Nur du kannst die Menschheit retten) zu den Scheibenwelt-Romanen. Weitere Häufungen betreffen die Altersgruppen 18-25 und 35-45. Viele Eltern lernten die Scheibenwelt durch ihre Kinder kennen. Manche Leute glauben, meine Leser seien alle vierzehn Jahre alt. Meine Post weist auf folgendes hin: Wenn einem Vierzehnjährigen ein Buch gefällt, sagt er: "Toll." Wenn seine Mutter ebenfalls Gefallen daran findet, bleibt sie stumm und schreibt dem Autor einen kurzen Brief. Lehrer und Bibliothekare geben Kommentare ab wie: "Ihre Bücher sind sehr beliebt bei Kindern, die nicht lesen." Ich weiß, was diese Leute sagen wollen, aber ich wünschte, sie würden es anders ausdrücken.

Offenbar bekommen Sie viel Post von Frauen.

Etwa die Hälfte meiner Post stammt von Frauen. Wohl wegen der Hexen in den Büchern. Aber um ganz ehrlich zu sein ... ich kenne den Grund nicht. Eigentlich habe ich mir auch keine Gedanken darüber gemacht - bis mir jemand sagte, dass die meisten Fantasy-Leser männlichen Geschlechts und unter fünfundzwanzig Jahren alt sind.

Könnten ältere Leute nicht von Josh Kirbys Titelbildern abgeschreckt werden?

Einige an mich und den Verlag gerichtete Briefe behaupten das. Andererseits teilen auch viele Leute mit, dass ihnen die Bilder sehr gefallen. Ich mag sie. Die guten sind hervorragend, und die ... anderen sind immer noch in Ordnung. Außerdem kenne ich einige der üblen Erfahrungen, die ein Autor mit Titelbildern machen kann. Vor einigen Jahren druckte Corgi The Colour of Magic nach, und zwar ohne ein Kirby-Bild - als eine Art Experiment. Nun, ich glaube nicht, dass es einen großen Unterschied machte.

Fühlen Sie sich eingeengt von der Scheibenwelt?

Nein, aber sie füllt sich immer mehr!

In mehreren Interviews haben Sie betont, dass es nie eine Karte von der Scheibenwelt geben wird. Aber inzwischen gibt es eine Straßenkarte von Ankh-Morpork, und es ist nicht mehr ausgeschlossen, dass die ganze Scheibe kartographisch erfasst wird.

Nun, ich habe gesagt, dass es nur dann eine Karte von der Scheibenwelt geben wird, wenn ich mit ihr fertig bin. Hinter meiner Stirn existiert eine grobe Vorstellung von ihr. Sie enthält gerade genug Details, um folgendes zu gewährleisten: Wenn in einem Buch für eine bestimmte Reise drei Wochen notwendig gewesen sind, darf die gleiche Entfernung in einem anderen Roman nicht innerhalb weniger Tage überwindbar sein. Aus solchen Daten sollte sich eine Karte zeichnen lassen. Die Arbeit an The Streets of Ankh-Morpork (Die Straßen von Ankh-Morpork) hat mich fasziniert. Dadurch wurde mir ein wichtiger Aspekt der Fantasy klar. Ich habe immer gezögert, die Stadt zu genau zu schildern - weil ich glaubte, dadurch künftige Erweiterungen und dergleichen zu erschweren. Aber das Gegenteil war der Fall. Als Ankh-Morpork auf einer Karte Gestalt anzunehmen begann, stimulierte die Stadt neue Ideen. Wenn die Form entstanden ist, gibt man ihr Grenzen - was neue Einfälle fördert. Ich weiß nun: Sobald eine Welt alle wesentlichen Bestandteile bekommen hat, kann man eine Karte von ihr zeichnen. Das ist doch auch ganz richtig so, oder? Man fängt nicht an, indem man die Zerklüfteten Berge und den Sich Dahinwindenden Fluss zeichnet. Der Anfang besteht vielmehr darin, eine Welt zu schaffen, ihr mit zehn und mehr Büchern gewissermaßen Fleisch und Blut zu geben. Anschließend verdient sich jemand einen Haufen Geld, indem er alle ihre Einzelheiten in einer Karte erfasst. Es ist möglich, eine Karte von der Scheibenwelt zu zeichnen: Manchmal schicken mir Leser Bilder ihrer Ideen, und die weisen bemerkenswert viele Gemeinsamkeiten auf.

Mir scheint, während der verschiedenen Ereignisse auf der Scheibe hat sich ihre Gesellschaft immer mehr verändert. Zuerst schien sie eine Welt à la Tolkien zu sein. Ankh-Morpork war einfach eine weitere Fantasystadt. Doch nach und nach verwandelte sie sich in etwas, das mehr Ähnlichkeit mit einem italienischen Stadtstaat hat...

Ah. Lord Vetinari, der Patrizier. Ankh-Morpork sah immer mehr aus wie das von den Medici regierte Florenz der Renaissance, und es war nur ein mentaler Katzensprung von den Medici zu den Vetinari.

Ja. Wahrscheinlich gibt es auch adlige Familien namens Dentistri und Physiotherapisti.

Aber die Handlung der letzten Bücher findet fast in früher viktorianischer oder gar in moderner Zeit statt.

Das kann ich erklären. Zunächst einmal: Die Scheibenwelt existiert nicht wirklich. Sie bietet nur den Hintergrund für Romane. Und: Es gibt keinen Grund, aus dem sich Welten unbedingt auf die gleiche Weise entwickeln müssen. Die Griechen verfügten sowohl über das notwendige theoretische Wissen als auch über die technischen Fähigkeiten, das Grammophon zu erfinden. Ein dampfgetriebenes Grammophon, aber aus irgendeinem Grund kam niemand auf die Idee. Die Scheibenwelt wartet geradezu auf Dampfkraft und Elektrizität - obwohl niemand da ist, der solche Energieformen nutzen könnte. Deshalb wird der Einfallsreichtum in andere Kanäle gelenkt.

In einem Ihrer Bücher bezeichnen Sie die Scheibenwelt als "Welt und Spiegel von Welten".

Ja. Es amüsiert mich, wenn Leser mir schreiben, dass Oma Wetterwachs und Co. genauso sind wie ihnen bekannte Personen. Das soll auch so sein. So etwas erwartet man von einem Autor. Trotzdem scheinen die Leute überrascht zu sein, als müsste eine Hexe unbedingt anders sein als die Oma in der Nachbarschaft.

Erzählen Sie uns von Tod. Von ihm ist in der Leserpost häufiger die Rede als von den übrigen Protagonisten der Scheibenwelt, nicht wahr?

Hmm... ja. Man denke nur an Mort (Gevatter Tod) und Reaper Man (Alles Sense). Außerdem erscheint Tod auch in den übrigen Romanen.

Und in Good Omens. Und in Johnny and the Dead (Nur du kannst sie verstehen), glaube ich.

Nun, Sie wissen ja, wie das ist, wenn das Studio einen großen Star unter Vertrag hat: Dann versucht man, ihn in allen Filmen mitwirken zu lassen...

Eigentlich ist er eine allgemeine mittelalterliche Personifizierung, wie direkt aus The Seventh Seal. Allerdings habe ich ihn verändert. Ich glaube, er kommt deshalb so gut an, weil es ihm auf mitleiderweckende Weise an Humor fehlt, weil er nicht nur mächtig ist, sondern gleichzeitig auch unschuldig und empfindsam. Es stimmt schon; in den ersten Büchern war er weitaus weniger sympathisch. In Reaper Man (Alles Sense) erlebt er eine Art Midlife-crisis, beziehungsweise eine Middeath-crisis…

Sie sprachen davon, dass Sie recht ernste Briefe von alten Menschen und den Verwandten kürzlich Verstorbener bekommen.

Ja. Aber ich schätze, das fällt in die Kategorie "private Korrespondenz".

Ich habe einige Fan-Briefe gesehen. Was halten Sie von ihnen?

Ich bekomme ziemlich viel Post, und fast jeder Brief fordert mich zu irgendeiner Art von Aktivität auf. Ich glaube, dass es mir gelingt, allen Leuten zu antworten, früher oder später. Was mich verwirrt, sind die Bitten um Fotos mit meinem Autogramm. Wen kümmert's, wie der Autor aussieht?

Ich habe einen großen Durchbruch erzielt, als mir eines Tages klar wurde, dass ich auch "nein" sagen kann. Wenn mein Terminkalender voll ist, kann ich etwas höflich ablehnen - ohne mich deshalb schuldig fühlen zu müssen. Das ist zumindest die Theorie. Ganz ohne Schuldgefühle geht es nie ab.

Sicher sind die Scheibenwelt-Romane ungeheuer schwer zu übersetzen. Stehen Sie in Kontakt mit den Übersetzern?

Ich weiß, dass der spanische Übersetzer für The Colour of Magic einen Preis gewonnen hat! Jemand versuchte, den gleichen Roman ins Polnische zu übertragen, las die erste Seite und meinte, es sei unmöglich, auf diese Weise in Polnisch zu denken. Mit dem niederländischen Übersetzer komme ich sehr gut zurecht: Er findet großes Vergnügen daran, nach den "richtigen" Worten zu suchen. Der deutsche Übersetzer setzt sich häufig mit mir in Verbindung. Neulich teilte mir jemand mit, seiner Ansicht nach sei die deutsche Version von Reaper Man (Alles Sense) noch besser als die englische - das ist sicher eine Art Triumph für den Übersetzer. Manchmal wenden sich auch die anderen mit Anfragen an mich, doch die meiste Zeit über arbeiten sie auf sich allein gestellt. Ich beneide sie nicht. Viele Fans sind zwei- oder mehrsprachig, und es ist, schwierig, allen Ansprüchen zu genügen.

Jemand meinte, ich sollte Sie fragen, wo Sie Ihre Hemden kaufen...

Oh, ich verstehe. Folgendes ist passiert: Als ich 1990 eine Tour durch Australien machte, entdeckte ich in Melbourne einen Laden, der ebenso gute wie einzigartige Baumwollhemden anbot. Ich nahm einige mit. Als ich zwei Jahre später noch einmal nach Melbourne kam, stattete ich dem Laden wieder einen Besuch ab. Und das wiederholte sich 1993. Was jedoch nicht bedeutet, dass ich alle meine Hemden in Australien kaufe.

Interview von Stephen Briggs
aus Terry Pratchett & Stephen Briggs: Die Scheibenwelt von A bis Z (2003)